Fördert Boxen die Gewaltbereitschaft?

Gewaltbereitschaft, Mobbingprävention, Therapeutisches Boxen, Gewalt, Anti-Mobbing

Vor ein paar Wochen war ich in Brandenburg für ein Anti-Mobbing Projekt an einer Schule. Mit dem verantwortlichen Lehrer habe ich mich hervorragend vorstanden und auch ein interessantes Gespräch geführt. Er findet die Regeln und Werte wie „Schlagen ist nur Boxring erlaubt“ oder auch „Stopp ist Stopp“ sehr gut und hat positiv zur Kenntnis genommen, dass die Schülerinnen und Schüler über die gesamte Dauer des Projekts ein Lächeln auf den Lippen hatten und mit leuchtenden Augen begeistert bei der Sache waren. Trotzdem spürte ich seine Skepsis.

Nach einer Weile sagte er: „Wenn die Schülerinnen und Schüler boxen, dann werden die doch bestimmt noch aggressiver und wollen das Boxen innerhalb und außerhalb der Schule ausprobieren?“

„Nein, nicht unbedingt. Es kommt auf die Persönlichkeit an“, erwiderte ich.

Das sagte ich in erster Linie aus der eigenen Erfahrung heraus; allerdings gibt es auch wissenschaftliche Belege für meine Aussage.

Die Wissenschaft gibt Entwarnung

Es gibt viele wissenschaftlichen Arbeiten über den Nutzen von Boxen bzw. Kampfsport für den Alltag. Aus den vielen Aussagen hierzu habe ich stellvertretend drei Aussagen gewählt:

1. „Wurde zumeist keine erhöhte Gewalttätigkeit festgestellt.“ (Hoffmann, 2007)
2. „Ferner besteht ein Zusammenhang zwischen Kampfsport und Selbstwert.“ (Altvater, 2020)
3. „Generell konnte eine positive psychosoziale Veränderung nachgewiesen werden.“ (Binder, 2007)

Zu Punkt 3 möchte ich ergänzen, dass es tatsächlich eine positive biopsychosoziale Veränderung gibt. Auch der Körper profitiert nachhaltig vom regelmäßigen Boxtraining. Stress wird abgebaut und Zivilisationskrankheiten wie etwa Rückenschmerzen werden vorgebeugt. Außerdem trägt Boxen dazu bei, fitter zu werden oder fit zu bleiben.

Im Einzelcoaching sind immer wieder Kunden dabei, die konkrete Fitnessziele benennen wie z.B. Gewicht reduzieren, Burnout-Prävention und / oder Aufbau „schlanker Muskeln“. Zu diesen Themen findest du in der Kategorie „fitter werden“ weitere Artikel. Einige verlinke ich hier:

Box dich fit – Wochen
3 Punkte, warum Boxen die ideale Burn-Out-Prävention ist
Alkohol und Sport – ein temporärer Kompromiss
Abnehmen mit Boxen – das passt wie die Faust aufs Auge

Verantwortung fördern – Gewaltbereitschaft reduzieren

Doch nun zurück zum Gespräch. Auch wenn Boxen nicht zu einem Anstieg der Gewaltbereitschaft führt, darf man nicht vergessen, dass beim regelmäßigen Boxtraining möglicherweise Techniken erlernt werden, die zu schweren Verletzungen führen können. Deshalb ist es wichtig, verbindliche Regeln und Werte zu vermitteln und Eigenverantwortung zu fördern. Das sollte stets im Hinterkopf behalten werden.

Ich vergleiche das häufig mit einem Küchenmesser. Jeder weiß, wozu ein Küchenmesser normalerweise eingesetzt wird. Doch damit lässt sich nicht nur Obst, Gemüse oder Brot schneiden. Wird es als Stichwaffe verwendet, können damit andere Menschen schwer verletzt werden. Und wer ist in diesem Fall dafür verantwortlich? Das Messer? Die Person, die jemandem den Umgang mit einem Messer gezeigt hat? Oder die Person, die das Messer benutzt? Ich bin überzeugt, dass die Person, die das Messer nutzt, in der alleinigen Verantwortung für ihr Handeln steht. Und beim Boxen ist es ebenso. Die agierende Person ist für die Konsequenzen verantwortlich, die der Einsatz von Händen und Fäusten nach sich zieht. Das gilt selbstverständlich nicht nur für Boxer, sondern für jeden anderen auch.

Therapeutisches Boxen in Anti-Mobbing Projekten

In Schulen setze ich das Boxen zur Stärkung der Persönlichkeit ein. Es geht also weder um die Teilnahme an einem realen Boxkampf, noch darum, andere Menschen beim Boxen zu verletzen. Wir verfolgen unter anderem diese Ziele:

  • Stärkung von Mut und Selbstvertrauen,
  • Setzen sowie das Akzeptieren/Respektieren von Grenzen (Stopp ist Stopp),
  • Lösung von Konflikten mit Worten,
  • Ableitung aufgestauter Energie (die „Wutflasche“ leeren),
  • Gewährleistung von aktivem Opferschutz und
  • die Stärkung des sozialen Miteinanders (Starkes Ich – Starkes Wir).

Am Ende der Veranstaltung hat mich der Lehrer gefragt, ob ich nicht jede Woche vorbeikommen könnte, weil es den Schülerinnen und Schülern so viel Spaß gemacht hat. „Noch nicht“, sagte ich, „aber bald!“

Fazit

Das Boxen ist, so wie ich es einsetze, eine erfolgreiche Maßnahme zur Mobbingprävention und fördert die Gewaltbereitschaft keinesfalls. Ganz im Gegenteil: Es stärkt die Persönlichkeit und die Klassengemeinschaft getreu dem Motto „Starkes Ich – Starkes Wir“.

 

Quellen:

Hoffmann, H. (2007). Untersuchung auf Aggressionswerte unter Berücksichtigung soziologischer und sportpädagogischer Aspekte in Kampfstilen mit Trefferwirkung.

Altvater, H.R. (2020) Stärkt Kampfsport die Psyche? Zusammenhänge zwischen der Ausübung einer Kampfsportart und dem Selbstwert sowie der Stressresilienz

Binder, B. (2007). Psychosocial benefits of the martial arts: Myth or reality. International Ryuku Karate Research Societys Journal.

Foto im Artikel Gewaltbereitschaft: ©SinaDikhoff